Am 23. Mai 1949 verkündete der Präsident des Parlamentarischen Rates, Dr. Konrad Adenauer, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Einen Tag später trat es in Kraft. Konrad Adenauer wurde erster Kanzler der neuen Republik – vor 70 Jahren also. Ein denkwürdiges Jubiläum, das so richtig zum Wahlsonntag zwei Tage später passt – regt es doch zu einigem Nachdenken an.
Zum 40. Jahrestag 1989 hielt der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine viel beachtete Rede – vielleicht erinnert man sich noch daran. Ich darf einige Passagen daraus zitieren. Sie zeigen, dass die Rede bis heute nichts bzw. wenig von ihrer Aktualität und Aussagekraft verloren hat:
„Frauen sind nach wie vor benachteiligt.“
„Es wäre keine menschlich überzeugende Gesellschaft, der alles dass wertlos gilt, was nicht bezahlt wird.“
„Wir haben eine gute Verfassung. Aber es wäre eine nur oberflächliche Feierlichkeit ohne die ernsthafte Frage an uns.: Sind wir in einer guten Verfassung?“
Neues Licht – nicht ohne Schatten – erreichte auch den sozialen Bereich. Wo sich Notstände fanden, wurde ihnen in rechtlicher Form abgeholfen. Die Kehrseite aber sind Besitzstände, die sich auch dort halten können, wo der einst zugrunde liegende Mangel längst behoben ist. Aber das Gemeinwesen darf nicht überfordert, nicht unbeweglich werden.“
Noch leben wir in unverantwortlichem Ausmaß auf Kosten anderer Teile der Welt und zu Lasten der Zukunft. Ist uns das ganze Ausmaß drohender Klimaveränderungen wirklich bewusst? Die überragende Zukunftsfrage ist das Überleben der Schöpfung.“
„Nicht alle Laien können Sachverständige werden, und demokratisch gewählte Organe dürfen die Entscheidungen nicht in die Hand von Experten lgen. Aber Laien wie Politiker haben keinerlei Grund, ihre Rolle deshalb nur gering zu veranschlagen, weil sie keine Spezialisten sind. Sie haben das Recht und die Pflicht, immer von neuem kritisch nachzufragen. Nichts schadet unserer Gesellschaft mehr, als nachlassendes Mitdenken.“
Warum haben wir diese Rede nicht immer wieder gelesen und unser Denken und Handeln – in Teilen wenigstens – danach ausgerichtet?
Das fragt sich auch selber
Kurt Winger